Menschenhandel im Asylbereich

Projekt "Umfassender Schutz für Betroffene von Menschenhandel im Asylbereich"

Was geschieht mit Betroffenen von Menschenhandel, die sich im Schweizer Asylwesen befinden, und dringend auf spezialisierte Unterstützung und Schutz angewiesen sind? Im Asylbereich ist der Zugang zu spezialisiertem Opferschutz stark eingeschränkt. Werden Menschen im Ausland, z.B. auf der Reise oder in einem Dublin-Land ausgebeutet, ist ihnen der Zugang zu den Leistungen der Opferhilfe aufgrund der aktuellen Rechtslage (Opferhilfelücke) verwehrt oder mit sehr hohen Hürden verbunden.

Das sechsjährige Projekt (2019-2024) hat zum Ziel, den Zugang zu spezialisiertem Opferschutz (psycho-soziale Beratung, medizinische, psychologische und materielle Unterstützung, sichere Unterbringung) sowie den Rechtsschutz zu sichern. Denn bisher gibt es keine geregelten Abläufe für Opfer von Menschenhandel im Asylbereich und somit keine Garantie für die Sicherstellung und die staatliche Finanzierung der so dringend nötigen spezialisierten Unterstützung.















 
Der Projektbericht wurde 2024 publiziert
Das Projekt wird dank der Unterstützung von insgesamt 1'500‘000 Fr. durch die Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich, der Katholischen Kirche im Kanton Zürich und Katholischen Stadtverband Zürich ermöglicht. Vorläufer war das Pilotprojekt «Zugang zum Recht», das vom Verein REF500 für das Jahr 2018 finanziert und von der FIZ gemeinsam mit RBS, der Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not durchgeführt wurde.
 

Menschenhandel, Krieg und Flucht: Die Perspektive der FIZ

Mittagspause in der FIZ, letzte Woche. Der Tages-Anzeiger liegt auf, und eine von uns liest das Interview mit dem Warschauer Professor vor, der mit Freiwilligen die Flugblätter an den Checkpoints an Frauen verteilt, die vor Menschenhandel warnen. Eine andere Kollegin liest aus dem Artikel vor, der direkt von der Grenze berichtet. Da steht über die 28-Jährige Maria: «Jetzt sucht sie eine Mitfahrgelegenheit nach Strassburg, zu einem Freund, den sie übers Internet kennengelernt, aber noch nie gesehen habe.» Bei uns läuten die Alarmglocken. Und schon kommt die Meldung einer Partnerorganisation: An der polnischen Grenze bieten Männer den verzweifelten Frauen, die aus der Ukraine flüchten, Arbeit und ein gutes Leben in Europa oder der Türkei an…

Die FIZ hat sehr viel Erfahrung mit Geflüchteten, die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Wir wissen um die erhöhte Vulnerabilität und darum, dass die Meisten erst während der Flucht, nach der Ausreise aus ihrem Heimatland, zu Opfern werden - aufgrund des äusserst limitierten Spielraums, den es gibt, um von A nach B zu gelangen.

Bei fast allen unserer Klient*innen spielt die extrem begrenzte Möglichkeit, sich auf ihrer Fluchtroute frei bewegen zu können, eine zentrale Rolle: An diesen Orten werden ihre Verletzlichkeit und Verzweiflung ausgenutzt, sie werden festgehalten und in vielen Fällen bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als sich auf ein «Hilfsangebot» einzulassen, wenn sie überleben wollen.

In den letzten Jahren zeigten sich solche Situationen besonders deutlich in Libyen und in Griechenland: Libyen, das von der EU zwar Milliarden für seine Küstenwache erhält, sonst aber völlig sich selbst überlassen ist und sich vor unser aller Augen zu einem Moloch entwickelt hat. Einem Moloch aus dem man nur mit viel Glück und nach mehreren Monaten Qual die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer antreten darf. Der Ort, über den unsere Klient*innen lieber schweigen. Der Ort, von dem unsere Klient*innen die schlimmsten inneren und äusseren Wunden tragen: Vergewaltigt, über Monate, ständig zur Verfügung gestanden, festgehalten ohne Unterstützung, und erst als sie nicht mehr «brauchbar» waren, auf ein Schiff im Mittelmeer gesetzt wurden.

Und in Europa? Hier hat sich Griechenland seit Einführung des dortigen Schutzstatus (analog Flüchtlingsstatus hier in der Schweiz) zum Schreckensort gemausert (siehe auch Plädoyer gegen Rückführungen nach Griechenland hier): Ohne Zugang zu Unterbringung, Verpflegung, Sozialhilfe und dem Arbeitsmarkt stranden dort im Moment vor allem afghanische Geflüchtete. Auch sie versuchen zu überleben, mitten in Europa, und müssen, um sich und ihre Kinder ernähren zu können, gefährliche Angebote eingehen, die in Ausbeutung enden.
 

All das, was jetzt in der Ukraine befürchtet wird, geschieht bereits an so vielen Orten der Welt. Seit Jahren.

Die Betroffenen brauchen Sicherheit und Schutz. Und vor allem einen Ort, an dem sie sich erholen können und nicht ständig befürchten müssen, an den Ort ihrer Ausbeutung zurückgeschickt zu werden. Einen Ort, der die Möglichkeit für Rückzug bietet. Ein Ort, an dem es Verständnis dafür gibt, dass sie sich nicht an alles erinnern können, dass aufgrund ihrer Traumatisierungen bereits die kleinsten alltäglichen Dinge eine extreme Anstrengung bedeuten können. Viele brauchen dringend Zugang zu medizinischer, gynäkologischer und psychischer Versorgung – schnell und unkompliziert.

Von daher sind die Flugblätter des Warschauer Professors zwar wichtig und gut gemeint, im echten Leben gestaltet sich die Prävention von Menschenhandel auf der Flucht jedoch etwas komplexer. Direkte Transporte von vulnerablem Menschen aus Krisen und Kriegsgebieten wären eine wirksame präventive Massnahme. Ausserdem erleben wir in unserer täglichen Arbeit, dass nicht nur Frauen und Mädchen besonders vulnerabel sind, um Opfer zu werden. Immer öfters werden uns auch Minderjährige und männliche Betroffene zugewiesen, die auf der Flucht Opfer von Menschenhandel wurden. Und dass es bei weitem nicht nur diejenigen sind, die bereits vorher traumatische Gewalterfahrungen gemacht haben. Sondern dass, je nach Konstellation (siehe oben), jede und jeder Gefahr läuft, Teil dieses ausbeuterischen Systems zu werden. Politik und Migrationskontroll- und Verhinderungsmassnahmen tragen das ihrige dazu bei. Das Verbrechen des Menschenhandels als kriminelle Tätigkeit grausamer herzloser Einzelpersonen oder Netzwerke zu beschreiben, führt nicht weit genug und blendet eine wichtige Ebene aus: Die Migrationskontrolle, die es Einzelpersonen erlaubt, von diesem strikten Regime zu profitieren.

Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass die Grenzen innerhalb Europas und die Fluchtrouten für ukrainische Geflüchtete transparent und offen sind und es auch bleiben.

Aktuell ist die Solidarität mit den ukrainischen Geflüchteten gross. Das ist gut und richtig. Aber jetzt, da das Augenmerk auf die Konstellation Flucht und Menschenhandel gerichtet ist, muss endlich für alle Betroffenen von Menschenhandel die Verantwortung übernommen und der nötige Schutz und Unterstützung gewährleistet werden- ein erster wichtiger Schritt ist der Zugang zu Unterstützung für die Betroffenen, die sich hier in der Schweiz befinden.

Spezialisierte Unterstützung für Direktbetroffene

Alle Betroffenen von Menschenhandel, die sich im Asylverfahren befinden, und andere besonders vulnerable Personen mit prekärem Aufenthaltsstatus sollen mit dem Projekt vollumfänglichen Opferschutz erhalten – auch wenn der Tatort nicht ermittelt werden kann oder nicht in der Schweiz liegt (wenn also das Opferhilfegesetz nicht greift). Das Projekt gewährleistet ihnen spezialisierte Opferberatung, psychologische und medizinische Unterstützung, Rechtsberatung, Schutz sowie die Möglichkeit zur sicheren Unterbringung. 

Bildungsangebot

Damit Betroffene überhaupt erkannt werden können bedarf es gezielter Sensibilisierung aller Akteure im Asylbereich, die mit einer betroffenen Person in Kontakt kommen könnten – damit sie wissen, wie bei einem Verdacht vorzugehen ist. Insbesondere aufgrund der Neustrukturierung des Asylverfahrens ist die Verfahrensdauer stark verkürzt und es bleibt wenig Zeit für einen Vertrauensaufbau. Aus diesem Grund bietet die FIZ mit ihrem Bildungsmodul für den Asylbereich Hand, um z.B. Rechtsvertreter*innen und Rechtsberater*innen gezielt zum Umgang mit potentiellen Betroffenen zu schulen.

JETZT BUCHEN!

FIZ Bildungsmodul für den Asylbereich
Die FIZ bietet für Fachkräfte im Migrationsberich das Bildungsmodul "Menschenhandel und Asyl: Erkennen und richtig handeln" an. Das Bildungsmodul zeigt die Mechanismen und Ursachen von Menschenhandel auf, weist auf die aktuelle Situation von Betroffenen im Asylbereich hin und benennt Anzeichen und Handlungsmöglichkeiten im Falle eines Verdachts. Gerne gestalten wir das Modul individuell nach Ihren Bedürfnissen und Wünschen.  

Haben Sie Interesse?

Nehmen Sie Kontakt mit uns auf: 

044 436 90 00
oder 
contact@fiz-info.ch  

Nachhaltigkeit


Was sich in 20-jähriger Kooperationsarbeit zwischen der FIZ, aufsuchenden Stellen, der Strafverfolgung und kantonalen Opferberatung etabliert hat, muss dringend auch für den Asylbereich erreicht werden: Ein klar definierter Kooperationsmechanismus im Asylbereich soll erarbeitet und die Zuständigkeiten auf kantonaler sowie Bundesebene geklärt werden. Das Fernziel ist hoch: So soll die Finanzierung des spezialisierten Opferschutzes von Betroffenen von Menschenhandel auch im Asylbereich vollumfänglich staatlich gedeckt sein sowie Kooperationsvereinbarungen mit den relevanten Akteuren bestehen. Um diese Ziele zu erreichen engagiert sich die FIZ in Arbeitsgruppen, an Runden Tischen und nimmt Stellung zu politisch relevanten Geschäften auf Bundes- und Kantonsebene.
 

Neuigkeiten aus der Praxis

News

Gastbeitrag bei Humanrights.ch (12.09.2022)
(Dublin-) Rückführungen um jeden Preis: Was bedeutet das für Betroffene von Menschenhandel?
 
Bericht des SEM zu potentiellen Opfern von Menschenhandel im Asylbereich
Opfer von Menschenhandel müssen im Asylverfahren besser identifiziert und geschützt werden. Eine Arbeitsgruppe hat Empfehlungen dazu erarbeitet. Diesen "Bericht - potentielle Opfer von Menschenhandel" hat das SEM Ende Mai 2021 veröffentlicht. Die FIZ hat zusammen mit CSP Genève und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) als Fachorganisationen während rund 5 Jahren mitgewirkt. Dies geschah im Rahmen der Arbeitsgruppe Menschenhandel und Asyl, die anlässlich des Nationalen Aktionsplans gegen Menschenhandel (2017-2020) geschaffen wurde. Die Fachorganisationen begrüssen zwar den Bericht, sie erkennen aber weiteren Handlungsbedarf aufgrund der internationalen Verpflichtungen. Insbesondere die Unterbringung der Betroffenen sowie ihr Zugang zu spezialisierten Fachstellen muss verbessert werden. Ebenso ist der Schutz der Menschenhandelsopfer während des Dublin-Verfahrens ungenügend. Siehe Medienmitteiluing. Der Tages-Anzeiger hat am 25.5.2021 darüber berichtet.

Forderungen der Zivilgesellschaft

Eine zivilgesellschaftliche Allianz, bestehend aus der Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not (RBS), ASTRÉE, Centre Social Protestant (CSP) Genève, Antenna Mayday Ticino, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) und der FIZ, hat konkrete Forderungen zur Verbesserung der Situation von asylsuchenden Opfern von Menschenhandel an das SEM übergeben. Darin steht vor allem der Opferschutz der Betroffenen im Asylbereich im Vordergrund. Die Forderungen wurden anlässlich der FIZ Fachtagung "Opfer von Menschenhandel als Asylsuchende: In der Schweiz endlich in Sicherheit?“ am 18. Oktober 2019 formuliert und dem SEM vorgelegt. Mehr zur Fachveranstaltung finden Sie in der Medienmitteilung.

Berichte und Leitfäden

Neuer Bericht betreffend der Überprüfung der Bundesasylzentren durch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folteropfern (NKVF)
Der neue Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter, der am 18.1.2021 veröffentlicht wurde, bemängelt, dass es in den BAZ zwischen den Leistungserbringenden und Fachorganisationen eine punktuelle, aber keine institutionalisierte Zusammenarbeit gibt. Die NKVF empfiehlt dem SEM, die Erkennung, Identifikation sowie die Unterstützung und den Schutz u.a. von Betroffenen von Menschenhandel im geplanten Leitfaden ausdrücklich zu regeln.

UNHCR über die Situation von asylsuchenden Menschen mit besonderen Bedürfnissen im neuen schweizer Asylverfahren
Im August 2020 veröffentlichte das UNHCR einen Bericht zur Situation von asylsuchenden Personen mit besonderen Bedürfnissen im neuen schweizer Asylverfahren, thematisierte darin auch die besondere Situation von Betroffenen von Menschenhandel und stellte konkrete Empfehlungen auf, inwiefern sich die aktuelle Lage verändern sollte, um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Unter anderem fordern sie, dass beim Verfahren zur Identifizierung von Menschenhandelsopfern konkrete Standardabläufe und -instrumente und unter Einbeziehung von spezialisierten Fachstellen nötig sind. Hinzu kommt ein systematisches Schnittstellen-Management zwischen Asylverfahren und Opferberatung, das bereits bei Verdacht auf Menschenhandel gewährleistet werden sollte und den Zugang zu allen Schutz- und Unterstützungsmassnahmen für Opfer möglich sein sollten, die Opfern von Straftaten zustehen. Weiter braucht es gemäss UNHCR eine opfersensible Befragung traumatisierter Asylsuchender durch systematisch geschulte Spezialist*innen erleichtert eine systematische Identifizierung. Nicht zuletzt sollten Personen, die mit möglichen Betroffenen von Menschenhandel in Kontakt kommen können, sensibilisiert und geschult werden zu Menschenhandel, den besonderen Bedürfnissen und Rechten der Betroffenen sowie den möglichen Handlungsszenarien.

Opfer von Menschenhandel gemäss SBAA ungenügend geschützt
An einem eindrücklichen Fallbeispiel einer asylsuchenden Betroffenen von Menschenhandel zeigt die Schweizerisches Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht (SBAA) auf, dass und inwiefern Opfer von Menschenhandel in der Schweiz ungenüngend geschützt sind, wo die Schwierigkeiten und entsprechender Handlungsbedarf bestehen. Auch die SBAA konstatiert: "Das Recht und der Zugang zu spezialisierter Unterstützung ab Ankunft in der Schweiz sollen für alle Gewaltbetroffenen gelten – unabhängig von Tatort und Aufenthaltsstatus."

Leitfaden von GRETA zum Recht auf internationalen Schutz für Betroffene von Menschenhandel (Guidance Note)
Die Expert*innengruppe des Europarates für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) hat im Juni 2020 einen Leitfaden zum Recht auf internationalen Schutz für Betroffene von Menschenhandel veröffentlicht. Der Leitfaden soll dazu beitragen, die Umsetzung der Verpflichtung, Betroffenen des Menschenhandels internationalen Schutz zu gewähren, weiter zu stärken. Er analysiert die Anwendung der Prinzipien des internationalen Schutzes im Kontext des Menschenhandels und baut dabei auf früheren UNHCR-Richtlinien auf. Der Leitfaden soll ferner den zuständigen Behörden, Institutionen und Organisationen, die mit schutzsuchenden von Menschenhandel Betroffenen und gefährdeten Personen zu tun haben als Orientierungshilfe dienen, mit dem Ziel, dass Betroffene nicht gezwungen werden sollten, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, wenn eine solche Rückkehr ihr Leben oder ihre Freiheit bedrohen und ihre Rechte gefährden würde.

Für Betroffene, die unter die Dublin-Verordnung fallen wird betont, dass die Durchführung von Risikobewertungen unerlässlich ist. Sie sind notwendig um zu verhindern, dass Betroffene von Menschenhandel in das Land zurückgeschickt werden, in dem sie zuerst Asyl beantragt haben, in dem sie aber Gefahr laufen, erneut Opfer von Menschenhandel zu werden. Ebenso hervorgehoben wird der Grundsatz, dass Menschenhandelsopfer nicht für Straftaten sanktioniert werden dürfen, zu denen sie gezwungen wurden. Die rechtliche Grundlage für die Unterstützung der Opfer wird erläutert, wobei die Länder zu besonderer Wachsamkeit gegenüber den Bedürfnissen minderjähriger Menschenhandelsopfer aufgefordert werden.

Analyse und Bilanz des beschleunigten Asylverfahrens von der SFH
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH konstatiert in ihrer Analyse und Bilanz des beschleunigten Asylverfahrens: Das neue Vorgehen ist zwar schneller, aber keineswegs fairer. Davon betroffen sind auch asylsuchende Betroffene von Menschenhandel. Die FIZ unterstützt ihre Forderungen, insbesondere dass dringend Verbesserungen in der Unterbringung und Betreuung von Personen mit besonderen Bedürfnissen, wie Opfern von Menschenhandel, angezeigt sind.

Leitfaden für die Rechtsvertretung von Opfern von Menschenhandel im Asylverfahren
Die Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not (RBS Bern) publiziert im Januar 2020 einen «Leitfaden für die Rechtsvertretung von Opfern von Menschenhandel im Asylverfahren». Er informiert Praktiker*innen über die rechtlichen Grundlagen und über das Vorgehen bei Verdacht auf Menschenhandel im Asylverfahren – anschaulich und mit Fallbeispielen.

Bericht zur Situation von Frauen und Mädchen im Asylbereich (Postulat Feri 16.3407)
Im Oktober 2019 wurde der ausführliche Amtsbericht zur Situation von Frauen und Mädchen im Asylbereich des Bunderrats veröffentlicht, der aufgrund des Postulats Feri 16.3407 verfasst wurde.  

SODK-Bericht zur Problematik der Opferhilfeleistungen für im Ausland ausgebeutete Opfer von Menschenhandel
Am 15.7.2019 publizierte die Sozialdirektorenkonferenz der Kantone (SODK) den Bericht zur Frage der Unterstützung für im Ausland ausgebeutete Opfer von Menschenhandel. Der Bericht anerkennt, dass Opfer von Menschenhandel, die im Ausland ausgebeutet wurden und in der Schweiz Schutz suchen, einen Anspruch auf minimale Unterstützungsleistungen haben. Die SODK wird nun gemeinsam mit Fachleuten konkrete Vorschläge zur Umsetzung erarbeiten. In Erfüllung des Nationalen Aktionsplanes gegen Menschenhandel wurde der Bericht durch Dr. iur. Marianne Schwander und Denise Baltensperger MLaw erarbeitet.

Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) betreffend Einhaltung der Grund- und Menschenrechte in Schweizer Asylunterkünften
Die NKVF überprüfte 2017 und 2018 diverse vom Bund betriebene Asylunterkünfte in Hinblick auf die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte und hier ihre Erkenntnisse im Bericht zuhanden des Staatssekretariat für Migration (SEM) fest. Hierbei identifizierte sie ernst zu nehmende Mängel - u.a. auch fehlende Massnahmen zum Schutz von besonders vulnerablen Personen, wie Betroffene von Menschenhandel.

Wichtige Rechtsprechung

Einholung von Garantien bei Dublin-Rückführung oder Prüfung eines Selbsteintritts
Wichtiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2020: Das Gericht rügt das SEM, da vor einer Rückführung in den Dublin-Staat eine sorgfältige Prüfung des psychischen und physischen Gesundheitszustands einer potenziell Betroffenen von Menschenhandel unerlässlich ist und der bestehenden Identifizierungspflicht nachzugehen sei. Aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. einer eingehenden Vulnerabilität des vermeintlichen Opfers ist eine Überstellung nach Italien nicht tragbar - auch wenn sich der Menschenhandel in Tunesien ereignet hat.  


Stützung des Urteils vom Februar 2019 über das Recht einer Kurzaufenthaltsbewilligung für Betroffene von Menschenhandel
Wichtiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. April 2020: Dieses Urteil stützt die Einschätzung im Urteil vom 14. Februar 2019 und betont, dass das Recht auf eine Kurzaufenthaltsbewilligung gilt, wenn die Ausbeutung in der Schweiz stattgefunden hat. Zudem war ein Strafverfahren in der Schweiz zum Zeitpunkt des Negativentscheids im Gange.

Verschlechterung der Situation in Italien macht Dublin-Rückführungen unhaltbar 
Wichtiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2019: Das Gericht rügt das SEM, da durch die Einführung des Salvini Dekrets sich die Situation für Betroffene von Menschenhandel bei einer Dublin-Rückführung nach Italien stark verschlechtert hat. Für Opfer und ihre Familien gibt es keinen Zugang zu ausreichender medizinischer Unterstützung und einer geschützen Unterkunft haben. Zudem sind die Zusicherungen Italiens bei Rückführungen von Familien nicht ausreichend.

Abklärung im Falle eines Verdachts auf Menschenhandel hat gegenüber Fristen im Asylverfahren Vorrang
Wichtiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. September 2019: Künftig hat die Abklärung im Falle eines Verdachts auf Menschenhandel gegenüber Fristen im Asylverfahren Vorrang.

Betroffene von Menschenhandel sollen ihr Recht auf eine Kurzaufenthaltsbewilligung wahrnehmen können
Wichtiges Urteil des Bundesgerichts vom 14. Februar 2019: Künftig sollen auch Betroffene von Menschenhandel, die sich im Asylverfahren befinden, ihr Recht auf eine Kurzaufenthaltsbewilligung wahrnehmen können. "Es ist zwar nur ein kleiner, aber doch kein unwesentlicher Schritt", so Brigitte Hürlimann in der Republik. Finden wir auch. Denn der Aufenthalt ist nach wie vor gebunden an die Bereitschaft der Betroffenen, mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren.

Artikel von Brigitte Hürlimann in der Republik: "Höchstrichterlicher Support für Opfer von Menschenhandel"
 

In den Medien